Ein Leser fragt: Warum sollten Schüler Geschichte lernen?

Ein Leser fragt: Warum sollten Schüler “Geschichte” lernen? Warum sollten sie nicht nur Mathematik, Physik und Chemie lernen?

Die Antwort könnte lauten:

Geschichte sollte neben der Sprache und Kultur zentraler Bestandteil der Identität jeder Nation sein. Geschichte strukturiert unterschiedliche Wissensgebiete synoptisch und ordnet Wissen chronologisch nach Epochen. Romanik z.B. ist Hochmittelalter, Gotik in Deutschland Spätmittelalter, Renaissance ist frühe Neuzeit, usw.

Geschichte macht mit politischen Mustern bekannt, die in immer neuem Gewande wieder auftreten. Deshalb kann man aus ihr lernen und deshalb sollte man sie kennen, zumindest in der Führungsschicht des Landes, aber besser in der Breite des Publikums.

Beispiele für solche Muster: Totalitarismus in unterschiedlichem Gewande, religiös und säkular; Zusammenhang von militärischer Stärke und außenpolitischem Gewicht eines Staates; Zusammenhang zwischen politischer Wahrnehmung, eigenen Interessen und jeweiliger Perspektive; reziproker Zusammenhang zwischen dem, was Marx Basis und Überbau nannte… Alles für die Gegenwart höchst aktuell.

Eine wichtige Fähigkeit, die Geschichte vermittelt bzw. vermitteln sollte, ist es, politische Mitspieler, Bündnisse und Kräfteverhältnisse zu analysieren. Das hilft bei der Bestimmung erfolgreicher Politik zu allen Zeiten.

Und hier das Wichtigste:

Viele machen eine Reise in andere Gegenden oder ins Ausland, sozusagen seitwärts, erhalten dort neue Eindrücke, vergleichen mit zuhause und verstehen das Eigene neu, erkennen sich selbst besser. Dasselbe kann man machen, indem man nach rückwärts in die Vergangenheit fährt und wieder zurück in die Gegenwart. Es handelt sich um eine ständige gegenseitige Bespiegelung. Barbara Tuchmann hat mal ein Buch über das Spätmittelalter geschrieben. Es heißt „Ferne Spiegel“. Darum geht‘s. Es ist ein geistiges Erlebnis, von dem diejenigen nichts wissen, die sich immer nur in der Gegenwart aufhalten.

Hinter der Leserfrage steckt eine utilitaristische Auffassung von Wissen: Ich muss nur lernen, was unmittelbar nützlich ist. Für eine Berufsausbildung mag das in Ordnung gehen, für Allgemeinbildung nicht. Und ich höre schon den Schüler fragen, der Mathematik, Physik und Chemie lernen muss: Wozu brauche ich später Physik und Chemie? Wozu Algebra? Warum lerne ich nicht, ein Formular auszufüllen?

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